ES WAR EINMAL ein Rotkäppchen, welches ganz in ihrer eigenen Blase lebte, am liebsten Zugfahrpläne auswendig lernte und Fidget Spinner übereinanderstapelte. Abgeschirmt von Menschen lebte sie nur mit ihrer Großmutter im Wald und wackelte jeden Tag mit ihrem Körbchen mehrere Kilometer durch das Dickicht zum Supermarkt, um die leeren Bierflaschen, welche die Großmutter am Tag zuvor in sich reingekippt hatte, gegen neu gefüllte zu tauschen, bevor sie den langen Rückweg antrat.
Die Großmutter freute sich über den täglichen Nachschub, schließlich machten sie 5 Biere und 2 klitzekleine Gläschen Wodka am Tag nicht zur Süchtigen. Im Laufe der Zeit wurde die Alte immer unansehnlicher, roch schrecklich und immer mehr Gehirnzellen lösten sich in Luft auf. Gern pöbelte sie das Rotkäppchen voll, wahrscheinlich hatte es sogar Schuld an all ihrem Elend.
Eines Tages, umhüllt von ihrem roten Mantel, der ihr das Gefühl von Schutz und Anonymität verlieh, zog Rotkäppchen wieder durch den Wald und ihre Flaschen klapperten laut in ihrem Körbchen hin und her. „Verflucht!“, dachte Rotkäppchen. „Nicht, dass der Wolf hier irgendwo hinter dem Baum rumlungert und mir gleich nachstellt!“ Sie hatte Recht, denn schon sprang der flauschige, vermeintlich böse Wolf ihr vor die Füße und öffnete sein Maul, um das Rotkäppchen zu verschlingen. „Moment mal…!“, hielt er plötzlich inne, „Du riechst ja nach Wellness, Kräutern und Sauna!“, sagte er mit hochgezogener Augenbraue. „Der Geruch von Fleisch wäre mir eigentlich lieber“, wütete er enttäuscht. „Verflucht nochmal!“, konterte Rotkäppchen, „Du lauerst immer noch Menschen auf, um sie aufzufressen. Denk doch mal an Deine Cholesterinwerte und das Menschenwohl! Kümmere Dich lieber um Deine geistige Gesundheit, meditiere oder erwirb einfach mal eine Fremdsprache. Das würde Dir bei Deinem nächsten Trip ins Ausland wirklich behilflich sein.“, schimpfte Rotkäppchen. „Echt jetzt?“, fragte der Wolf verwirrt. „Ja, doch. Verflucht nochmal“, meckerte sie weiter rum. Der Wolf ahnte, dass Rotkäppchen für immer sein Leben verändern könnte. Aber warum fluchte sie so viel rum und warum schleppte sie klappernde Bierflaschen durch den Wald? „Kannst Du mir zeigen, wie man einen Spagat macht und eine Rolle rückwärts und wie ich einen Genitiv im Satz verwende?“, fragte er hoffnungsvoll. „Wenn Du aufhörst, Menschen aufzufressen, mir hilfst, den Planeten von Krieg und Bösem zu befreien, dann ja!“ antwortete sie. „Und…..!“ flüsterte sie. „Die Großmutter muss weg!“
„Meine Güte!“ erschrak der Wolf. Rotkäppchen hatte gar keine menschlichen Züge mehr. Womöglich ist sie sogar eine Mörderin! Der Wolf verstand, dass er nur eine Möglichkeit hatte. Er musste sich ihr unterwerfen. Und dann heckten sie einen Plan aus….EINEN UNGEHEUERLICHEN PLAN! ….

Dem Wolf schlackerten die Knie. „Sollten sie wirklich die Großmutter töten? Sucht ist doch eine Krankheit“, dachte er. Rotkäppchen durchschaute seine Angst: „Ausgerechnet Du, mein Lieber, machst Dir Gedanken um Moral?!". Flink tänzelten ihre Finger mit ihrem neu erworbenen Fidget Spinner. Es war der hundertsiebzehnte in ihrer Sammlung, aber dieser glitzerte und machte bei jeder Umdrehung ein summendes Geräusch, welches sie in einen fast meditativen Zustand und ihren Herzschlag auf siebenundsechzig pro Minute brachte. In Wirklichkeit hatte sie selbst nämlich auch furchtbare Angst. Aber sie sah keinen anderen Ausweg: „Diese Narzisstin hat mich jahrelang gegaslightet und mies behandelt!“ Der Wolf verstand gar nichts mehr: „Hähhh, was, verflucht noch mal, hat sie gemacht?“. Rotkäppchen wurde ungeduldig: „Ich habe Dir gesagt, Du sollst Fremdsprachen lernen. Hättest Du auf mich gehört, wüsstest Du, was das bedeutet und außerdem gibt es jetzt Chatgpt. Guck doch mal rein! Und hör auf zu fluchen!“. Der Wolf fühlte sich blöd. „Klugscheißerin!“, murmelte er in sein Fell. Ohnehin war er zurzeit etwas launisch, weil er seine Ernährung umgestellt hatte und rote Beete statt Fleisch fraß. Rotkäppchen konnte einem wirklich auf den Geist gehen. „Aber sag mal…?“, fiel ihm ein, „läuft hier nicht ein Jäger im Wald rum? Meinst Du nicht, dass er uns das Handwerk legt? Rotkäppchen nickte und schaute ihn wissend an. „Der ist grad bei einem Workshop in Tuvalu! Es ist der perfekte Moment für unser Vorhaben.“ Der Wolf staunte: „Kann der denn Englisch?“ Rotkäppchen grinste: „Klar, kann er! Der schüttelt sich sogar mit Leichtigkeit ein Present Perfect aus dem Ärmel.“ Gemeinsam schlürften die zwei Komplizen einen Purple Tea während Rotkäppchen dem struppigen Wolf sein Fell richtete. Dann machten sie sich auf den Weg, während ein zartes blaues Licht um sie herumschwirrte.
Was sich später tatsächlich im Haus der Großmutter abspielte, ist unklar. Der Polizeibericht geht nicht auf die genauen Umstände ihres Todes ein. Der inzwischen aus Tuvalu zurückgekehrte Jäger sagte später aus, dass Rotkäppchen nicht zu einem Mord im Stande gewesen wäre und er seine Hand für sie ins Feuer legen würde. Es gibt offiziell keine Erklärung für das unnatürliche Ableben der alten Dame.
Die Großmutter kam übrigens nicht in die Hölle, sondern bekam eine zweite Chance, reinkarnierte und übte sich aufs Neue, ihre wahre Aufgabe auf der Erde zu erfüllen.
Rotkäppchen und der Wolf wurden nie wieder gesehen. Man erzählt sich, dass der Wolf ein Fremdsprachenass und Yogi wurde und eine Jonglierkünstlerin aus Britisch Virgin Island heiratete. Er arbeitete später sogar als Sprachtrainer in einem renommierten Spracheninstitut und erhöhte dort die Männerquote. Rotkäppchen hingegen gab es auf, Zugfahrpläne auswendig zu lernen, erweiterte ihre Fidget Spinner Sammlung auf siebenhundertfünfundvierzig Stück und entdeckte irgendeine neue Begabung. Weiß der Kuckuck, was sie da wieder machte. Sie verliebte sich in einen Professor mit einem IQ von 717, dem sie nichts vormachen konnte und verbrachte ihre Zeit, anderen Menschen dabei zu helfen, ihr Leben zu verschönern. Sie meditierte, übte Flick Flacks, arbeitete an ihrer Angstbewältigung und hing in Märchenwäldern ab.
Rotkäppchen und ihr Wolf blieben Freunde und schickten sich an Geburtstagen zuckerfreie Kekse und Erdbeeröl. Ihre Verbindung war unzertrennlich.
UND WENN SIE NICHT GESTORBEN SIND, DANN FLUCHEN SIE NOCH HEUTE!
Eventuelle Ähnlichkeiten zu real existierenden Personen sind rein zufällig. Die Geschichte ist frei erfunden. Nur Rotkäppchen gibt es tatsächlich, wie Ihr längst wisst! Nur ist ihr Umhang grün, damit sie unerkannt und gut getarnt durch den Wald latschen kann.

Solltest Du Interesse haben, eine Fremdsprache zu lernen, google nach einem Spracheninstitut in Deiner Nähe. Gern vermittle ich Dich weiter!
Solltest Du gern Yoga lernen wollen, wende Dich an eine leidenschaftliche Yogalehrerin.
Solltest Du Lust auf einen guten Song haben, hör das!
Und solltest Du dieses Bild erwerben wollen, kontaktiere die Künstlerin.
„Me & and My Devil“ ist als Original für 950 Euro zu haben und lässt sich noch mit einer Hintergrundplatte gegen einen Aufpreis rahmen. Ratenzahlungen sind möglich. Die Arbeit an diesem Werk dauerte knapp 3 Monate, auf einzelne Tage in der Woche verteilt.
Fehlt nur noch die Moral der Geschichte:
Ich weiß, damit bin ich uncool. Aber trotzdem:
Die schlimmsten Verletzungen fügen Drogen Menschen zu, die selbst keine Drogen nehmen: Es sind die Kinder von Alkoholkranken oder anderen Süchtigen. Derzeit leben circa drei Millionen Kinder mit mindestens einem suchtbelasteten Elternteil. Damit ist jedes 4. bis 5. Kind betroffen. Der Großteil davon, ca. 2,65 Millionen Kinder, lebt in einem Haushalt mit alkoholkranken Eltern. In Deutschland leben schätzungsweise sechs Millionen erwachsene Menschen, die als Kinder in süchtigen Familien aufwuchsen.
(Quelle: https://nacoa.de/infos/fakten/zahlen)
Der Übergang vom gelegentlichen Trinken zur Abhängigkeit ist schleichend. Berater in Jugendämtern sehen den Eltern oft ihre Sucht oder Persönlichkeitsstörungen, wie z. B. Narzissmus, nicht an, oder sind psychologisch eventuell nicht ausreichend darüber geschult bzw. können nicht genau festlegen, ab wann man einen Menschen als alkoholabhängig bezeichnet. Somit gibt es unzählige Fehlentscheidungen von Familiengerichten, welche nichtsahnend Umgangs- oder Sorgerechte gewähren ohne zu wissen, dass die zugehörigen Kinder mit täglichem „Genuss“ von Alkohol konfrontiert werden, sich eventuell in Gefahr befinden und ein höheres Risiko haben, irgendwann selbst gewohnheitsgemäß zu trinken. Süchtige sind nicht automatisch schlechte Menschen, sie hatten hier und da vielleicht auch ein bisschen Pech. Aber Erkenntnis und Aufrichtigkeit sind die ersten Schritte, die aus dem Schlamassel führen.
Und Rotkäppchen würde hier noch ergänzen: Don´t fucking drink and drive!
Lil Bloom